Am Montag fließt wieder Talsperrenwasser durch die Röhre im Tharandter Wald. Wann das Wasser aus dem größten Dresdner Werk in die Häuser kommt.
Von Peter Hilbert
Dresden. Während im idyllischen Tal der Seerenbach vorbeiplätschert, stehen fast sechs Meter tiefer Mirco Helbig und Silvio Schönherr im neuen Betonschacht. Der Projektleiter von Sachsen-Energie und der Vorarbeiter der Bergsicherung Schneeberg begutachten die ellipsenförmige Röhre im Tharandter Wald ein Stück unterhalb von Dorfhain. Innen hat sie eine neue Stahlbetonschale bekommen. "Das ist sehr gut gelungen", schätzt Helbig ein.
Dieser Stollen ist Teil des insgesamt 20 Kilometer langen Leitungssystems, durch das das sogenannte Rohwasser von der Talsperre Klingenberg zum 150 Meter tiefer liegenden Coschützer Werk fließt. Auf etwa der Hälfte dieser Strecke fließt das Talsperrenwasser durch vier, vor etwa 100 Jahren bergmännisch gebaute Stollen, von denen seit 2012 mehrere Abschnitte im Tharandter Wald saniert wurden. Der erste Stollen beginnt hinter der Talsperre Klingenberg, der letzte führt vom Wasserkraftwerk Tharandt bis zum Wasserschloss Coßmannsdorf oberhalb des Hanges zum Weißeritztal.
Auch die mittlerweile fast 100 Jahre alte Hülle der ellipsenförmigen Röhre des Stollens 3 aus dem damals üblichen Stampfbeton unter dem Seerenbachtal hat stark gelitten.
Deshalb handelt Sachsen-Energie. Mitte September vergangenen Jahres war Sachsens größtes Wasserwerk in Coschütz außer Betrieb genommen worden. Dresden wird seitdem von den Werken in Hosterwitz und Tolkewitz versorgt. Bei den umfassenden Wartungs-, Instandhaltungs- und Bauarbeiten werden 54 Projekte umgesetzt, davon elf größere - sowohl im Wasserwerk als auch an der sogenannte Rohwasserzuführung von der Talsperre Klingenberg. Dafür investiert Sachsen-Energie rund sechs Millionen Euro, erklärt Gruppenleiter Robert Haas, der für den Betrieb der Wasseranlagen zuständig ist.
In den vergangenen vier Monaten hatte der alte, 30 Meter lange Teil des Stollens 3 im Seerenbachtal eine 20 Zentimeter starke Stahlbetonschale erhalten. Bergleute hatten zwei engmaschige Bewehrungsmatten eingebaut und mindestens zwei Schichten Spritzbeton aufgebracht, erklärt Projektleiter Helbig.
Außerdem ist ein großes, knapp sechs Meter tiefes neues Einstiegsbauwerk errichtet worden. Der neue Schacht mit einer bis zu fünf Meter großen Öffnung hat einen enormen Vorteil gegenüber dem alten, erläutert Helbig. Er liegt nicht mehr jenseits des Seerenbaches, sondern direkt am Weg. So ist er für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sehr gut zugänglich.
Nach Auflagen des Oberbergamtes Freiberg dürfen für solche Arbeiten nur erfahrene Spezialfirmen beauftragt werden. Deshalb hatte Sachsen-Energie den Auftrag an eine Arbeitsgemeinschaft von Bergsicherung Schneeberg und Bergsicherung Freital vergeben. Bei Vorarbeiter Silvio Schönherr liegt das Bergmännische in der Familie. Bereits sein Vater und sein Großvater haben im westerzgebirgischen Hartenstein bei der Wismut gearbeitet.
Der heute 54-Jährige trat in die Fußstapfen. "Ich hatte zuerst Kraftfahrer gelernt und mich dann bei der Bergsicherung Schneeberg zum Bergmann qualifiziert", berichtet er. Schönherr ist froh, dass die Arbeit im Seerental so gut abgeschlossen werden kann. Sonst arbeitet sein Unternehmen vor allem bei der Sicherung von Schächten aus dem Altbergbau, besonders in der Gegend um Schneeberg. "Dort war ab dem 15. Jahrhundert Silber und Kobalt abgebaut worden", erzählt der Bergmann.
Ende Dezember war nicht nur der Seerenbach, sondern auch die Elbe stark angestiegen. Kurz vor Weihnachten war der neue Einstiegsschacht fertig, die Spritzbetonarbeiten im Stollen jedoch noch nicht. Hätte der Elbpegel 6,50 Meter erreicht, hätte in Coschütz eine sogenannte Notinbetriebnahme binnen weniger Stunden umgesetzt werden müssen. Denn die beiden anderen Wasserwerke direkt an der Elbe hätten nicht mehr die benötigte Leistung bringen können.
Denn Wasser wird in Dresden immer gefragter. Lag der durchschnittliche Tagesverbrauch 2011 bei rund 102.000 Kubikmetern täglich, so ist er bis zum vergangenen Jahr auf etwa 127.00 Kubikmeter gestiegen. Der Trend liegt hauptsächlich an der Mikrochipindustrie im Dresdner Norden.
"Doch wir hatten beim Hochwasser Glück", sagt der Projektleiter. Der Elbpegel erreichte am 29. Dezember nur 5,95 Meter. So mussten die Wasserstollen von Klingenberg nicht geöffnet werden, konnte der restliche Beton noch aufgespritzt werden. "An diesem Montag wird der Stollen wieder mit Wasser befüllt und in Betrieb genommen", kündigt Helbig an.
Ein Stück weiter in Richtung Tharandt ist zudem ein weiteres Großprojekt im Tiefen Grund umgesetzt worden. Dort haben die Bergleute einen Stollen auf einer Länge von 50 Metern komplett erneuert, der direkt unter der Oberfläche liegt.
Leistungsfähiger soll die Wasserleitung werden, die zwischen dem Wasserschloss Freital-Coßmannsdorf und Coschütz liegen. So hat sich die Sachsen-Energie in eine komplexe Sanierung der Gitterseer Straße an der Freitaler Stadtgrenze zu Dresden eingeklinkt.
Dort ersetzen Bauleute in einem 120 Meter langen Abschnitt die ein Meter hohe Wasserleitung durch eine 20 Zentimeter größere. "Jetzt fehlen nur noch wenige Meter", sagt Gruppenleiter Haas. Diese Leitung soll am 22. Januar wieder in Betrieb genommen werden.
Umfangreiche Arbeiten sind auch im Wasserwerk Coschütz ausgeführt worden. So ist jetzt in der Filterhalle der dritte der 20 Sandfilter seit 2017 saniert worden, erklärt Haas eine Großaktion. Dort wurden auch die insgesamt 6.200 Filterdüsen durch neue ersetzt. In den kommenden Jahren sollen schrittweise weitere Filter saniert werden.
Eine Etage tiefer ist ein weiteres Stück des abgelassenen Reinwasser-Sammelkanals saniert worden, der eine Million Liter Wasser fasst. "Einen ersten, 30 Meter langen Abschnitt haben wir bereits 2020 saniert", erläutert Haas. Jetzt ist das nächste, knapp 40 Meter lange Stück des sechs Meter hohen hallenartige Baus fertig.
Bauleute haben die fast 80 Jahre alten Betonschichten der Wände mit dem Presslufthammer abgepickert und eine 2,5 Zentimeter starke Schicht Spezialmörtel aufgespritzt, in den keine Mikroorganismen eindringen können. "Wir liegen sehr gut in der Zeit", resümiert Haas. "Bis zum 31. Januar soll unser Wasserwerk Coschütz wieder komplett in Betrieb sein." Dann bekommen die Dresdner wieder den gewohnten Geschmack mit dem Coschützer Trinkwasser.